Am Abend des 13. Dezember 2020 ist unser Gründungspräsident Willi Rasinger nach längerer Krankheit im Alter von 72 Jahren von uns gegangen. Die Nachricht aus dem Kreise seiner von ihm innig geliebten Familie hat uns tief getroffen, obwohl wir bereits seit Wochen wussten, dass es nicht gut um ihn steht.
Über 20 Jahre leitete Willi seinen/unseren IVA Interessenverband für Anleger durch alle Höhen und Tiefen, der Börse und des Menschlichen. Ebenso lange stand ihm sein langjähriger Vizepräsident und Freund, Michael Knap, zur Seite, dessen Erinnerungen wir hier wiedergeben möchten:
Wie fing es eigentlich an, mit uns und dem IVA? Wir kannten einander aus zahlreichen Hauptversammlungen von börsennotierten Aktiengesellschaften, die Willi meist als Vertreter der Kleinaktionäre eifrig besuchte, während ich ursprünglich im Auftrag meines ehemaligen Dienstgebers Creditanstalt und dann später als engagierter Privatanleger teilnahm. Im Juni 2001 beschlossen wir eine Zusammenarbeit im damals noch unbekannten IVA.
Populär wurden Willi und der IVA mit der Notierung der AT&S-Aktien an der Wiener Börse und der „Erfindung“ des Stimmrechtsvertreters in Österreich. Willi war es damals gelungen, einen Vertreter des IVA als unabhängigen Stimmrechtsvertreter ins Spiel zu bringen, um streng weisungsgebunden das Stimmrecht von nicht selbst anwesenden Aktionären in der Hauptversammlung auszuüben. Das war die Geburtsstunde einer Erfolgsstory, die bis heute anhält. Dem Beispiel der AT&S folgten bald viele andere. Die vom IVA gestellten Stimmrechtsvertreter begnügten sich aber nicht mit dem bloßen Abstimmungsvorgang, sondern „belebten“ unzählige Hauptversammlungen mit konkreten und nicht zuletzt kritischen Sachfragen. Beides, die verlässlich ausgeübte Stimmrechtsvertretung und die gleichermaßen kritische wie sachkundige Wortmeldung, brachten zweifelsohne eine Aufwertung der Hauptversammlungen mit sich.
In der Folge begründete Willi auch die sogenannten „IVA-Schwerpunktfragen“, die börsennotierten Aktiengesellschaften zur Beantwortung im Vorfeld der HV übermittelt wurden und sich aufgrund ihres hohen Informationsgehaltes großer Beliebtheit erfreuen. Wie viele Fragen Willi selbst von aufgebrachten Anlegern im Zuge der mehr oder weniger bekannten Finanzskandale beantworten musste, kann wohl nur geschätzt werden. Jedenfalls hatte er zu jeder Tages- und Nachtzeit ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Kleinanleger.
Willi war es bald ein ehrliches Anliegen, auch jene Kapitalmarktteilnehmer vor den Vorhang zu bitten, die sich um die Förderung der Kapitalmarktkultur in Österreich verdient gemacht haben. So wurde 2006 die trefflich „IVA-David“ genannte Auszeichnung an die Rechtsanwältin Maria Brandstetter für ihre Erfolge vor dem Verfassungsgerichtshof in Sachen Anlegerschutz sowie an den Investor Rupert-Heinrich Staller für dessen Einsatz bei der Kapitalerhöhung der AUA und in diversen Squeeze Out-Verfahren (insbesondere Steyr-Daimler-Puch) verliehen. Die beiden sind bis heute wertvolle und unverzichtbare Mitglieder des IVA-Teams. Auch das ist ein Verdienst von Willi, der stets bemüht war, engagierte Personen für die Sache des Anlegerschutzes zu begeistern.
Im österreichischen Arbeitskreis für Corporate Governance konnte Willi als Mitglied seit dessen Gründung 2002 durch seine gewinnende und ausgleichende Art viel für den Anlegerschutz und den Finanzplatz erreichen.Als Dozent an der Fachhochschule Krems sowie als Universitätslektor an der TU Wien hat er sein umfangreiches Kapitalmarktwissen an jüngere Generationen weitergegeben.
Die Lehrtätigkeit in Krems hat Willi an den seit 2009 für den IVA tätigen Florian Beckermann vor einigen Jahren übergeben und auch dessen Bemühungen, den IVA für junge Kapitalmarktinteressierte zu öffnen, mit dem Projekt Young Shareholders Austria unterstützt.
Der Generationenwechsel im IVA, ein vorausschauendes Anliegen von Willi, wurde von der Generalversammlung im September 2020 vollzogen. Florian wurde zum geschäftsführenden Vorstand ernannt, Willi zog sich auf die Funktion des Vizepräsidenten zurück und Rechtsanwältin Verena Brauner wurde zum neuen Vorstandsmitglied bestellt.
Was waren die schönsten emotionalen Momente mit Willi? Neben der Verabschiedung in Krems oder der Ordensverleihung im Finanzministerium ist mir insbesondere ein gemeinsam mit unseren Ehefrauen absolvierter Aufenthalt in Mailand in Erinnerung. Anfang Oktober 2015 nahmen wir an der Tagung der WFI World Federation of Investors teil. Das Wochenende hängten wir privat an und besuchten spontan in der berühmten Mailänder Scala eine Aufführung der Donizetti-Oper „L´elisir d´amore“. Deren bekannteste Arie ist „Una furtiva lagrima“ – und diese heimlichen Tränen, mein lieber Freund, habe ich heute um Dich vergossen, später im Stephansdom still Deiner gedacht und mich von Dir verabschiedet. Ich werde Dich nie vergessen – Danke für zwanzig gemeinsame Jahre in Deinem/unserem IVA!
Michael Knap
Florian Beckermann, geschäftsführender Vorstand, und Verena Brauner, Vorstand
Maria Brandstetter, Rupert-Heinrich Staller, Claudia Zinner