Wandelt sich die Anlegermoral?

Ändern sich die Zeiten, ändern sich auch die Ansichten. Noch vor wenigen Jahren galten Investments in Rüstungsunternehmen als unmoralisch und wurden deshalb abgelehnt. Nun dürfte sich das Blatt zumindest bei einem Teil der Investoren gewendet haben. Dennoch stehen Investments in Rüstungsunternehmen bei vielen Kapitalanlagegesellschaften noch auf der “Black List”. Teils weil das in selbst auferlegten freiwilligen Verpflichtungen festgelegt ist, teils auch, weil dies wegen der Erlangung diverser Nachhaltigkeits-Gütesiegel zwingend erforderlich ist bzw. war. So etwa verlangte das bekannt strenge Österreichische Umweltzeichen ÖGUT UZ 49 in der Fassung vom 12. Jänner 2020 noch den definitiven Ausschluss von Unternehmen, die konventionelle und/oder kontroversielle Rüstungsgüter erzeugten oder handelten. Doch auch die Juroren des Österreichischen Umweltzeichen “gehen mit der Mode” und schwächten in der seit 1. Jänner 2024 geltenden neuen Fassung die Richtlinien bedeutend ab. Neuerdings sind nur mehr Unternehmen, die kontroversielle Waffen und/oder wesentliche Komponenten dafür herstellen verpönt. Demnach sind Investments in klassische Rüstungsunternehmen als “nachhaltige Finanzprodukte” deklariert. Diese erinnert an die überraschende Kehrtwende der Europäischen Union, die in letzter Minute vor Inkrafttreten des Green-Deals die Erzeugung von Nuklearenergie kurzerhand als nachhaltig im Sinne der der EU-Taxonomie definiert hat.

Wer in den vergangenen Jahren bewusst in nachhaltige Investmentfonds gemäß Artikel 9 der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) investiert hat, könnte mit seinem Geld bald unabsichtlich Waffenproduzenten finanzieren. Dem zugrunde liegt die aktuelle politische Entwicklung, die eine gewisse Flexibilität bei der Definition moralischer Werte mit sich bringt. In den seit 14. Mai 2024 geltenden Leitlinien der ESMA (European Security and Markets Authority) sind nur mehr jene Investmentfonds nicht nachhaltig, die in Unternehmen investieren, die an Aktivitäten in Zusammenhang mit umstritteneren Waffen beteiligt sind.

Dieser Meinungsumschwung kommt natürlich nicht von ungefähr. Da viele Banken und (institutionelle) Investoren Waffenproduktion als ein Ausschlusskriterium definiert haben, geht der Rüstungsindustrie das Geld aus, obwohl es jetzt mehr denn je nötig ist. Investoren, die sich dennoch für Rüstungsaktien entschieden haben, verweisen auf eine sehr gute Wertentwicklung. “Rüstungs-abstinente” Fonds haben sich im Vergleich zur Benchmark oft schlechter entwickelt. Immer mehr Anlegerinnen und Anleger schwanken zwischen moralisch korrekten Investments alter Definition und der Verlockung mit boomenden Rüstungsunternehmen den Anlageerfolg aufzubessern. Namhafte Investmentfonds greifen die Lockerung der Regulatorik auf und bauen ihre Exposures in Rüstungsunternehmen sukzessive aus. Experten der ethisch korrekten Vermögensverwaltung können dem Meinungsumschwung nichts abgewinnen. Wer nach ethisch sauberen Kriterien investieren möchte, sollte den Prinzipien weiterhin treu bleiben und nicht der Gesinnungsethik verfallen.

Investoren, die die nötige Flexibilität bei den persönlich definierten Anlagekriterien mit sich bringen, dürften dank staatlicher Investitionsprogramme in den nächsten Jahren von den Anlagechancen in der Rüstungsindustrie profitieren.

Im Börsen-Kurier Nr. 50 am 11. Dezember 2024 veröffentlicht von Franz Jahn