Vermögenssteuer? Weiterdenken ist gefragt

In Zeiten des Wahlkampfes wird eine Vielzahl von politischen Anregungen in den Medien platziert – man kann es auch “Wunschliste” nennen. Ein geschickt gewählter Zeitpunkt, um auf sich aufmerksam zu machen. Vielleicht erreicht der eine oder andere Punkt ja ein zukünftiges Regierungsprogramm.

Die Exotik kennt dabei naturgemäß keine Grenzen und macht auch vor Anlegerbelangen nicht halt. Die Vermögensbesteuerung (vulgo “Reichen-Bashing”) ist ein aufgekochter Klassiker. Sollte eine Regierung auf die Idee kommen, dies ernsthaft zu verfolgen, wird es im Jahr des Beschlusses zu einem Milliardentransfer von Assets kommen. Andere Staaten breiten bereits herzlichst die Arme aus und stellen den Champagner kalt (Großbritannien, Belgien, Zypern, usw). Unmengen an Wertpapieren und hochbezahlten Arbeitsplätzen wechseln das Land, schneller als der Bundespräsident seine Unterschrift unter eine solche Steuer setzen könnte. Im Detail: Vermögenssteuer hat nur Sinn in Ländern, in denen Großvermögen nicht beweglich sind, – entweder aus rechtlicher oder praktischer Sicht (USA, Japan, Frankreich oder Deutschland). Die österreichischen Großvermögen sind jedoch recht flexibel. Die Steuer träfe mithin den kaum fassbaren Mittelstand – herzlichen Glückwunsch. Das fiskalische Einkommen wird überschaubar sein.

Kann man das nicht besser machen? Bzw sollte nicht eher das Gegenteil getan werden? Erinnern wir uns an Zeiten vor 2007 als durch das Modell “Privatstiftung” Milliarden Euro in Österreich betreut wurden. Eine prosperierende Spezialbanken-Szene entstand und erreichte globale Anerkennung. Heute ist sie nur noch ein Schatten von einst. Ein international kompetitives Steuersystem für die lukrative Großklientel zu schaffen, ist ein langfristiges (Vertrauens-)Programm und nicht mit einem Schnellschuss zu erreichen. Die Einführung einer Vermögenssteuer beerdigt diese Pläne jedenfalls nachhaltig. Die Schweiz oder Lichtenstein verfügen über eine solche Steuer – allerdings mit ganz anderen, übrigen Steuersätzen und Systematiken. Daher hinkt der Vergleich.

Angenommen die Kapitalflucht fände nicht statt, erreicht man mit einer Vermögenssteuer noch einen weiteren Effekt. Großvermögen werden aggressiver veranlagt, um eine entsprechende Performance zu erreichen. Ist das sinnvoll? Letztlich wird sich jeder erfolgreiche aufstrebende Unternehmer alsbald fragen: “Will ich wirklich in Österreich bleiben, wenn mir die Vermögenssteuer droht?” Daneben kann man noch einen immensen Verwaltungsaufwand befürchten. Zusätzlich greift die Gefahr des Verlustes der Unternehmenssubstanz durch eine Vermögenssteuer dogmatisch tief: Das leistungsgerechte Ertragsbesteuerungssystem wird umgangen. Eine verfassungsrechtlich fragwürdige Ausnahme entstünde. Keine guten Aussichten für den Standort. Ein progressives Weiterdenken ist gefragt.

Im Börsen-Kurier Nr. 34-35 am 22. August 2024 veröffentlicht von:

Florian Beckermann

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