Unwürdiger Börsenabschied der Ottakringer Getränke AG

Die Ottakringer Getränke AG (im Börsensegment Standard Market Auction) hat einen kleinen, aber feinen Streubesitz von unter 4 %. Es regieren die Eigentümerfamilien Wenckheim und Menz das Unternehmen über die Ottakringer Holding AG mit mehr als 99 % der stimmberechtigten Anteile. Die Kleinanleger halten vornehmlich Vorzugsaktien und sehen sich als Teil der Ottakringer-Familie: Eine Aktie mit Tradition und absolutem Kultcharakter! Die Verunsicherung bei den vielen kleinen Streubesitzaktionären ist groß, droht doch aktuell ein Delisting mit fragwürdiger Preissetzung zur Unzeit. Für viele ein unwürdiger Börsenabgang, geht es doch nur um vergleichsweise geringe Beträge.

Das Timing: Brauerei-Aktien sind ein besonderes Gebräu, ein Spannungsfeld aus Geschäftsmodell, Immobilienreserven, Tradition und lokaler Verbundenheit. Für Anleger, die in Produkte des täglichen Lebens investieren, ein interessantes langfristiges Investment. Nach der Verschmelzung mit der besten Wassermarke Österreichs, Vöslauer, wurde Ottakringer ungleich wertvoller. Beeindruckend sind die vielen prägnanten Werbe-Kampagnen von Ottakringer und Vöslauer, gepaart mit dem Anspruch ein börsengelistetes und damit transparentes Familienunternehmen zu sein. Wahrlich nicht nur auf der HV zelebrierte man Börsen- Familie. Das soll jetzt ein jähes Ende nehmen.

Die Zeiten sind schwierig: Covid19 hat der Gastronomie in den vergangenen drei Jahren zugesetzt – die Erholung kommt gerade in Schwung. Hohe Zinsen drücken die Bewertung, Schulden, aufgenommen für große Investitionen in die Zukunft, drücken auf die Bilanz. Doch die Zinsen werden fallen, die Investitionen werden sich lohnen. Bei Ottakringer scheint die Gelegenheit gekommen, sich „arm” zu rechnen und die verbliebenen Aktionäre damit billig loszuwerden. Oder steckt mehr dahinter? Man erinnert sich an hitzige Hauptversammlungen und munkelt über einen Verkauf der Vöslauer. Dabei sollen die Kleinaktionäre nicht mitpartizipieren. Für sie kommt das Delisting jedenfalls zur Unzeit.

Das Pricing: Auch die Preissetzung des Delisting-Angebots und die formale Freigabe durch die Übernahmekommission stößt auf Verwunderung. Üblicherweise schützt die Übernahmekommission die Interessen des Marktes. Marktpreise durch den Handel an der Wiener Börse sind preisbestimmend, vor allem beim Delisting. Vier kumulative Preisuntergrenzen sind gesetzlich vorgesehen. Die Kommission verwirft diese gesetzliche Bestimmung und betritt juristisches Neuland. Ausschließlich ein von ihr beauftragtes geheimes (!) Gutachten mit von Ottakringer bereitgestellten Daten soll maßgeblich sein – eine ungewohnte Intransparenz!

Wenn die Kursbildung an der Wiener Börse manipuliert war, wo war dann das Eingreifen der FMA? Solange es dieses Eingreifen nicht gibt, sollte die Übernahmekommission kein juristisches Neuland erkunden. Viele kleine Aktionäre sind vom Vorgehen der Ottakringer-Mehrheitsaktionäre und der Übernahmekommission enttäuscht. Langwierige Gerichtsverfahren sind zu befürchten. Es hilft daher wohl nur eine deutliche Ausbesserung des Delisting-Angebots, um eine breite Annahme ohne langwierige Rechtsstreitigkeiten zu erreichen. Einstweilen notieren die Stamm- und Vorzugsaktien über dem Angebot – die Interpretation dieses Faktums obliegt dem Leser.

Im Börsen-Kurier Nr. 41 am 12. Oktober veröffentlicht von:

Florian Beckermann

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