RBI: Spekulationen um die Russlandtochter

Seit Beginn des Ukrainekrieges ist Russland-Business extrem problematisch. Einige Firmen haben das Land verlassen. Andere wiederum halten am Geschäft dort fest. Manche wollen raus, doch der russische Staat macht es ihnen schwer. Recht großspurig hatten manche europäische Vorstandsetagen einen sofortigen Rückzug verkündet. Doch oftmals kommt nun die Erkenntnis, dass es einfacher klingt, als es ist. Laut Handelsblatt gelang es nur 8,5 % der EU/G7-Unternehmen. Firmenverkäufe müssen behördlich genehmigt werden. Je größer das Unternehmen, desto komplexer die Genehmigungssituation. Mögliche Verkaufspreise sind ohnehin kaum zu erzielen. Ein Verschenken steht eher im Raum – der Staat nimmt mindestens 50 %. Mittendrin die größte, ausländische Bank: Raiffeisen Russland – die Tochter der Raiffeisen Bank International. Sie ist in Russland systemrelevant, funktioniert weitgehend unabhängig von Wien und ist hoch rentabel. Mit großem Abstand folgen US-Banken, HSBC oder Barclays.

Seit geraumer Zeit wird von verschiedenen Stellen Druck auf die RBI suggeriert: Politik, Financial Times,  NGOs, Propaganda oder Behörden. Trotz Kurssturz hält CEO Johann Strobl („eine Bank ist keine Würstlbude“) dagegen. Der Aktienkurs erholte sich um ca. 50 % vom Tiefststand. Aktuell zerrt eine Routinediskussion über die indirekten Effekte der US-Sanktionen (OFAC) am Gemüt der „Bewahrer“. Für weitere Spekulationen sorgt die EZB, die sich die problematische Gruppenstruktur anschaute und kurzerhand die RBI-Dividende 2022 technisch suspendierte. Gewinne aus Russland kommen ohnehin nicht in Wien an. Es knirscht im Aktionariat. Es scheint eine Lose-Lose-Situation zu sein.

Man muss vorab festhalten, dass RBI auch eine Tochterbank in der Ukraine besitzt und dort sehr aktiv ist. Viele Mitarbeiter, Aktionäre oder auch Kunden sind extrem solidarisch. Mit großem Teamgeist setzt man sich für die Kollegen und die Ukraine ein. Die Diskussion sollte daher Solidarität nicht in Frage stellen. Weiterhin lässt sich konstatieren, dass beispielsweise deutsche Firmen wie Bayer, Merck, Fresenius, Beiersdorf, Metro, Claas, Knauf oder Schaeffler an Ihren Russland-Geschäften festhalten wollen oder Firmen wie Volkswagen, Mercedes Benz, SAP, Deutsche Telekom einen Rückzug bisher nicht umsetzen konnten, so das Handelsblatt. Die Runde ist zweifellos erlaucht (und kritisiert).

Warum also RBI antreiben, um die Russlandbeteiligung faktisch zu vernichten? Diese Frage stellen sich viele Aktionäre. Wäre der Ukraine geholfen, wenn man nur den Eigentümer ändert? Wohl nicht. Wäre dem Aktienkurs geholfen? Möglich. Allerdings nicht aufgrund eines hohen Verkaufspreises, dort ist nicht viel zu erwarten. Wie ist die langfristige Perspektive? Die Zinswende lässt den Raiffeisensektor wieder „normale“ Profite in Österreich machen, russische Provisionen braucht es aktuell nicht. Vielleicht müsste man ohnehin auf sie verzichten: Sanktionen werden fast nie kurzfristig aufgehoben. Auf ein jahrelanges Sanktionsregime muss man sich einstellen. Was wäre danach? Eine schwierige, politische Frage. Wirtschaftlich kaum kalkulierbar. Ein Abgabe-Ansinnen ist jedenfalls ad-hoc-pflichtig und ein Verkauf muss einer außerordentlichen HV vorgelegt werden. Die Gewinndimension erzwingt dies.

Doch auch Augenzwinker-Ideen gibt es: Warum nicht die Russlandtochter an ein RBI-Aktionärskonsortium verkaufen? Damit bliebe sie im Sektor und die börsengelistete RBI hätte diverse regulatorische Probleme weniger. Ob der Käufer damit glücklich wird, stünde auf einem anderen Blatt. Die EZB wäre man am Stadtpark damit aber nicht los.

Veröffentlicht im Börsen Kurier am 01. März 2023 von:

Florian Beckermann

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