Prospektpflichten optimieren

Vielen Anlegern ist es wiederholt ein Ärgernis: Interessante Kapitalmaßnahmen werden mit Hinweis auf die aufwendige Prospekterstellung nicht für den Privatanleger zugelassen bzw. kommen gar nicht an die Börse. Mit der Konsequenz, dass ausschließlich ein Profi-Publikum zum Zuge kommt oder nichts geschieht. Dies kann sinnvoll sein, muss es aber nicht. So stellt sich die Frage, ob der Ausschluss des Bezugsrechts sich fair gestaltet oder die Stückelung von Unternehmensanleihen über 100.000 € immer notwendig ist. Insbesondere für Unternehmensanleihen kann man für Verbesserungen sorgen, aber auch für die Attraktivität von kleineren Emittenten sollte man etwas tun. Ein Spagat.

Die Lage: Die Wiener Börse hat bei Anleihen-Listings das historisch beste Halbjahr erreicht. Bis Mitte des Jahres wurden 6.116 neue Schuldverschreibungen gelistet. Wien bestätigt damit die Position als einer von Europas aktivsten Anleihen-Listingplätzen und betreut aktuell mehr als 1.000 aktive Anleihen-Emittenten aus 39 Ländern mit einem Gesamtvolumen von rund 800 Mrd€ – mehrheitlich am Privatanleger vorbei. Ausnahme Bundesanleihen: Durch die Änderung der Handelsverfahren sind österreichische Bundesanleihen nun ganztägig an der Wiener Börse handelbar – mit lokalen Market Makern. Hiervon profitieren Privatanleger. Der Markt wäre also gegeben.

Das Problem: Die Erstellung eines Prospekts ist für die Emittenten mit einem zeitlichen und finanziellen Aufwand verbunden, was insbesondere KMUs von Emissionen zur Kapitalgewinnung abhalten kann – ein kaum präsentes Marktsegment in Österreich. Auf der anderen Seite hat es ab einer gewissen großen Emissionsgröße wenig Sinn, ein Retailpublikum anzusprechen – je nach Rating erreicht man das Volumen ohnehin problemlos. Mögliche finanzielle Vorteile sind möglicherweise vernachlässigbar. So heißt es am Ende: Die Großen wollen nicht und die Kleinen können nicht. Dazwischen der Privatanleger.

Um diese Situation zu verbessern, kann eine weitere Vereinfachung bzw. Standardisierung von Kapitalmarktprospekten helfen. Beispielsweise für so genannte “Sekundär-Emissionen”, das heißt, das Unternehmen hat bereits einen vollen Kapitalmarktprospekt erstellt. Hernach limitiert man die Seitenzahl und das Format des Anschlussprospekts, um so breitere Schichten zu erreichen.

Geht es um kleine Emittenten hat der europäische Listing Act einige Ideen auf den Weg gebracht: Die gänzliche Befreiung von der Prospektpflicht für Emissionen unter 5 Mio€ wird diskutiert, oder massive Erleichterungen, wenn nur bis zu 30 % des Unternehmens an der Börse gehandelt werden sollen.

Der IVA setzt sich für die Straffung der Kapitalmarktprospekte und Reduktion auf relevante Informationen ein. Diese administrative Erleichterung sollte auch bei Unternehmensanleihen eine geringere Stückelung fördern und somit den Zugang für Privatanleger erleichtern.

Im Börsen-Kurier Nr. 38 am 20. September 2024 veröffentlicht von:

Florian Beckermann

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