OMV: Spielball der Begierden

Österreichs größter Industriekonzern weckt immer wieder heftiges Verlangen. Während man an das Begehren des Finanzministeriums über die ÖBAG, in Form von Dividenden und Aufsichtsratsbesetzung, bereits gewöhnt ist, nutzen auch andere “Spieler” gern die OMV als Hebel für die eigene Agenda – der Schaden für den Aktionär wird billigend in Kauf genommen, das Management wird beschädigt, die Reputation aufs Spiel gesetzt. Gegenwehr bleibt ungehört.

Politisch: Reflexartiges Bekleckern gelingt der Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne). Wenn es um die Drohung geht, den Import von russischem Gas gesetzlich zu unterbinden, ergeht diese an die OMV-Adresse – meist nach deren Gas-Updates. Dass die OMV für rund 50 % der Gasimporte in Österreich verantwortlich zeichnet, ist bekannt. Dass die verbleibenden Imorteure solche öffentlichen Ermahnungen nicht erhalten, ist verwunderlich.

Wirtschaftlich: Die Beziehung zu ADNOC, oder vormals Mubadala, ist eine besondere. Als Partner im OMV-Aktionärssyndikat mit ÖBAG sowie Partner im Tochterbetrieb der Borealis wirkt die Zusammenarbeit umfassend, intensiv und langfristig. Man fragt sich, ob die forcierten Annäherungen von Thomas Schmid oder René Benko nicht letztlich nachteilig für die OMV interpretiert werden. Sie erzeugen jedenfalls Diskussionsstoff.

Profilierung: Das Abwatschen der OMV für die Gazprom-Verträge, beispielsweise durch Ex-CEO Gerhard Roiss‘ TV-Auftritte, ist ein Sprungbrett mit nachlassender Federkraft. Die Diskussion um deren Auflösung ist weitgehend erschöpft. Die geostrategische Aufgabenstellung bleibt. Eine Gemeinschaftsaufgabe, die nicht allein von der OMV erbracht werden sollte. Das bestehende Management hierfür in die Pflicht zu nehmen ist nachvollziehbar, für die damals abgeschlossenen Gazprom-Verträge aber jedenfalls nicht.

Umwelt: Wenn auf der Hauptversammlung regelmäßig Umweltorganisationen ihre Positionen medienwirksam einbringen, verwundert dies kaum. Interessant ist, dass sich schleichend eine partielle Professionalisierung eingestellt hat, die einen höheren Wirkungsgrad bei der OMV erwarten lässt – der Ton ist ein anderer. Vielleicht hat man auch dort erkannt, dass es kaum mehr Old Oilers mit “Drill, baby, drill”-Parolen gibt, sondern auch hier ein Transformationsprozess hin zur Nachhaltigkeit belgeitet werden kann.

Für Aktionäre blebit weitgehend ein Schaden durch diese Begehrlichkeiten, denn für den Aktienkurs ist dies alles wenig vorteilhaft. Wenn dann auch noch eine Dividende ausgeschüttet wird, die den Gewinn pro Aktie des Geschäftsjahres übersteigt, scheint die Analogie zum Spielball nicht befremdlich. Es bleibt zu hoffen, dass sich die OMV eine wehrhafte Unabhängigkeit erarbeitet, die auf solche Avancen in Zukunft angemessen reagieren kann. Einstweilen wird der Aufsichtsrat umgekrempelt. Dass dabei jemand mit ausschließlichen OMV-Interessen ans Ruder kommt, der sich wirkungsvoll vor die AG stellt, ist nicht zu erwarten.

Im Börsen-Kurier Nr. 22 am 29. Mai 2024 veröffentlicht von:

Florian Beckermann

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