Mutloser KESt-Vorschlag: Langfristig Staatshand in der Brieftasche

Als Finanzminister Magnus Brunner den neuesten Vorschlag zur Wiedereinführung der KESt-befreienden Behaltefrist öffentlich machte, wusste er, was er tat. Der Wiener Börsepreis stand vor der Tür. Dort versammelte sich die Kapitalmarktszene, die professionell mit KESt zu tun hat – das sorgte für gute Stimmung und Applaus. Die Freude wich aber schnell der Ernüchterung. Gleich vorab: Der neue Vorschlag des BMF ist mutlos, mit Nähe zu sinnlos. Die Hand des Staates in der Brieftasche des Aktionärs bleibt langfristig. Das Modell scheint in der Form ein Papiertiger. Man muss sich fragen, ob das Regierungsprogramm zur Entlastung des Aktionärs noch umgesetzt werden kann.

Was wird zwischen Schwarz-Grün verhandelt? Nach Brunner liegt eine Variante mit einer zehn-jährigen Behaltfirst in Form eines Kontomodells vor. Aufs individuelle Konto wird angespart und thesauriert. Unklar ist bisweilen, ob Frist-unabhängig bei Rentenantritt steuerbegünstigt ausgezahlt werden kann. Offen ist auch, welche Summen ins Konto eingebracht werden können. Immens wichtige Punkte, denn der Rentenantritt oder Krankheit etc. können vorzeitige Auszahlung nötig machen. Die Einbringungssummen sind für die Großkapital-Vertreter von hoher Relevanz.

Woran scheitert die alte Lösung? Bis 2012 galt die “alte” KESt-befreiende Behaltefrist von einem Jahr. Danach konnte steuerfrei veräußert werden. Von vielen Anlegern wird diese Lösung bis heute bevorzugt. Doch hatte sich die rot-schwarze Koalition damals in Verbindung mit der Endbesteuerung auf eine verfassungsrechtliche Absicherung geeinigt. Nach Ansicht der Steuerexperten geht daran bis heute nichts vorbei. Einzige Ausnahme: Altersvorsorge. Darein wird die KESt-befreiende Behaltefrist nun gestopft. Anstatt also nun die Verfassungsschranke für eine Steuererleichterung (!) im Konsens aufzuheben, diskutiert man mutlos um Schlupfloch “Altersvorsorge” herum.

Administrieren sollen die Banken. Auch wenn sich diese noch recht bedeckt halten (ein solches Modell würde viele Kunden in die Institute bringen), scheint der Aufwand größer als der volkswirtschaftliche Vorteil. Stellen diese sich quer, ist die Diskussion ohnehin fast sinnlos.

Fazit: “Etwas wäre besser als nichts”, könnte man denken. Doch würden sich erst in zehn Jahren die Effekte dieser Steuererleichterung zeigen. Bis dahin wird der Anleger auf eine bessere Lösung kaum hoffen können. Es droht eine politische Sackgasse. Angesichts der Komplexität ein wenig attraktiver Vorschlag: “Besser nichts, als das?” Wenn er denn überhaupt eine Chance auf Umsetzung hat: Eine “grüne” Handschrift ist nicht zu erkennen.

Nötige Lenkungseffekte, die man mit der nationalen Steuerbefreiung verbinden könnte, fehlen ebenso. Die Legislaturperiode schwingt in Richtung Wahlkampf. Der Umsetzungsdrang nimmt dort traditionell ab.

Im Börsen-Kurier Nr. 25 am 22. Juni veröffentlicht von:

Florian Beckermann

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