Markt für russische ADR-Zertifikate kollabiert

Viele Anleger in russische ADRs erhielten unlängst Post von ihren heimischen Depotbanken. Grund: Die US-Emittenten haben die ADR-Zertifikate gekündigt. Es werden nun kurzfristige Entscheidungen vom Anleger erwartet. Doch im Sanktionsstrudel zwischen der EU, den USA und Gegensanktionen Russlands, gepaart mit extrem-kurzen Übergangsfristen innerhalb der Urlaubszeit, kennt sich kaum jemand aus – ADR-Investoren stehen vor nachhaltigen Verlusten, die Verantwortung will niemand übernehmen.

Grundsätzlich wird über zwei Optionen informiert: 1) Konvertierung in russische Originalaktien innerhalb der kommenden Woche! Problem: Man braucht ein russisches Depot, über das kaum ein Anleger verfügt. Heimische Banken können auch nicht aushelfen, aufgrund der Sanktionen gegen den russischen Zentralverwahrer NSD. Sanktionsverletzungen sind toxisch für hiesige Bankenwelt. 2) Nichts tun. Problem: Die US-Banken werden abhängig von ADR-Zertifikat und Sanktionsstatus, die Originalaktien verkaufen und den Erlös gutschreiben. Vermutlich sehr wenig oder nichts.

„Ein Durchtauchen der Krise wird verunmöglicht. Die Sanktionen treffen damit leider nachhaltig Anleger“, so IVA-Vorstand Florian Beckermann, „aktuell profitieren russische Investoren oder vielleicht US-Banken. Jeder Anleger mit einer empfindlichen Position sollte sich unmittelbar rechtlich beraten lassen. Das bloße Anmelden zur Konvertierung kann bei risikofreudigeren Anlegern ein sinnvoller strategischer Zwischenschritt sein, der Gefahren birgt. Eine echte Lösung ist das auch nicht.“

Hintergrund: ADRs Abkürzung für „American Depository Receipts“ sind grundsätzlich Zertifikate, die Aktien auf zB auf Gazprom, Lukoil oder Rosneft an westliche Börsen ersetzen. Sie waren für Privatinvestoren oder Investmentfonds weit verbreitet um in Russland zu investieren ohne die Originalaktie zu halten. ADRs finden sich nicht nur in tausenden privaten Portfolios, sondern sind wichtiger Bestandteil diverser Osteuropa-Fonds. Seitdem Ukraine-Konflikt sind die Preise für viele ADRs auf ein paar Cent gefallen oder stehen auf Null. Eine Wertaufholung scheint durch die oben genannten Eingriffe verunmöglicht. Erste Investmentfonds müssen schließen. Viele europäische Anlegerschutzverbände, wie der IVA Interessenverband für Anleger, sehen sich mit in dieser Causa einer Vielzahl von Anlegerfragen gegenüber. Eine ergänzende Hilfestellung der EU-Institutionen ist angefragt.

Florian Beckermann

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