Habitus der Bawag – eine Parallelwelt

Auf Unverhältnismäßigkeiten reagieren Privataktionäre empfindlich. Der Habitus der Bawag dieser Tage sorgt daher für Schnaufen mit gewittrigen Nasenflügeln. Der Stein des Anstoßes ist sowohl die kürzlich vergangene virtuelle Hauptversammlung als auch die Verhaftung an einer Parallelwelt.

Zur Erinnerung: Bawag notiert aktuell wieder unter IPO-Kurs von 2017 – ein Sonnen im Erfolg ist fraglich. Könnte man denken, wenn man nach Gründen für die opulente Vergütung von CEO Anas Abuzaakouk sucht. Der CEO, welcher bereits seit dem IPO das viertgrößte österreichische Bankhaus leitet, ist EU-weit der wohl bestbezahlte Banker (ca. 10 Mio€). Die Arbeiterkammer kührte ihn zur “Fat Cat”. Der in London lebende CEO war bei den letzten drei virtuellen Hauptversammlungen nicht anwesend. Es muss der Zweifel erlaubt sein, ob es ihn überhaupt (noch) gibt oder er die Geschäfte noch leitet – die Angemessenheit seines Salärs in einer Österreich-fremden Parallelwelt belassend. Korrigierenden Einfluss auf diesen Habitus scheint der Aufsichtsrat jedenfalls nicht zu haben. Warum nicht? Dividende rechtfertigt alles.

Ebenso misslang es, eine physische Hauptversammlung nach drei Jahren Abstinenz herbeizuführen. Die Formulierung “zum Schutz der Aktionäre” ist in diesen Tagen sowohl eine Verhöhnung der Anleger als auch Beweis für den (möglicherweise nicht nur) moralischen Missbrauch des geltenden Gesetzes. Oder flieht man aus Angst in die virtuelle Parallelwelt? Dass diese Geisteshaltung auch eine Satzungsänderung herbeiführen will, die die Virtualisierung der Hauptversammlung basierend auf einer Gesetzesfantasie zulässt, wundert dann nicht mehr.

Mit der alten “Bank für Arbeit und Wirtschaft AG” hat die Bawag von heute wenig zu tun. Faktisch in der Welt der Investmentbanken unterwegs, wirkt das österreichische Bankgeschäft als lästiges Anhängsel aus einer anderen Zeit. Vielen Depotinhabern wurde per saftigen Gebührenschema klar gemacht, wie sehr man sie als Kunden (nicht) schätzt. Der Ärger war groß.

Positiver Nebeneffekt der Investmentbank-Welt: Während die heimische Kapitalmarktaufsicht die Bewegungsfähigkeit österreichischer Bank-Konkurrenten niederreguliert, gelingt der Bawag der Kauf der US-Regionalbank First Idaho. Mediales Glück kommt hinzu: RBI wird wegen ihrer Prüfung des liquidierten Sberbank-Europe-Portfolio reüssieren. Ein vergleichbarer Aufschrei unterbleibt.

Fazit: Gehaltseskapaden oder Missachtung treffen die Anleger direkt und nicht in einer Parallelwelt. Mag für manche institutionelle Anleger Habitus und Orientierung hinnehmbar sein, für österreichische Privataktionäre sind sie befremdlich. Eine offene Unverhältnismäßigkeit zeugt von ärgerlichen Defiziten, die zu einem Risiko werden können. Die notwendige Kultur-Korrektur sollte daher im Interesse aller liegen.

Im Börsen-Kurier Nr. 16 am 19. April veröffentlicht von:

Florian Beckermann

1130 Wien, Feldmühlgasse 22
Tel. +43-1-8763343-0
Fax. +43-1-8763343-49
florian.beckermann@iva.or.at