Die Vorzugsaktie ist eine Aktiengattung, bei der der Aktionär kein Stimmrecht besitzt, dafür erhält er die Dividendengarantie auf eine bevorzugte, in der Regel höhere Dividende als beim Pendant der Stammaktie – so lautet die Definition der Vorzugsaktie gemeinhin. Eine Aktienklasse, die sich noch vor weniger als 20 Jahren einer weiten Verbreitung erfreute. Mit dem Delisting der Ottakringer Getränke AG bleibt nur noch Gurktaler Vz dieser Gattung am Wiener Markt. Eine Erläuterung.
Stellen Sie sich vor, bis zu 50% des Eigenkapitals wird durch stimmlose Vorzugsaktien bereitgestellt. Sohin braucht man nur noch 25% (plus 1 Aktie) des Gesamtkapitals in Stammaktien um die Gesellschaft zu beherrschen. Klingt attraktiv für Kernaktionäre in Geldnot? War es auch. Wer die unternehmerischen Zügel in der Hand behalten und dennoch am Börsenparkett präsent sein wollte, wählte diese Art der Kapitalaufbringung – BMV oder VW bis heute. Viele Vorteile gingen für alle Seiten damit einher: Vorzugsaktionäre wurden mit Dividendengarantie gelockt, zuweilen gab es ein Umtauschrecht in Stämme. Stammaktionäre mussten ihr Macht nicht direkt teilen.
Oftmals hatten Vorzugsaktien eine höhere Liquidität und geringere Volatilität – für den Handel keine uninteressanten Eigenschaften. Vorzüge gabs an der Börse mal mit Abschlag, mal mit Zuschlag zum Stammaktienkurs, mehrheitlich dem Investitionsmotiv des Aktionärs geschuldet. Der echte Dividendenvorzug war rar. Stammaktionäre beschlossen selten selbst keine Dividende zu erhalten. Abhängigkeit vom Zins: Wer stark auf Dividenden angewiesen ist, sucht den Vergleich mit dem Zinsertrag. Bei jeder Leitzinsänderung reagierten Vorzugsaktien manchmal fast wie Anleihen. Ein Nachteil, der in steigendem Zinsumfeld deutlich wirkte, und umgekehrt.
Mit dem Einzug der großen, internationalen Stimmrechtsberatung wurde den Vorzügen sukzessive die Grundlage entzogen. Das Prinzip “One-Share-One-Vote” führte zur flächendeckenden Umwandlung von Vorzügen in Stammaktien – nicht immer billig für die umwandelnde Gesellschaft. Wobei eine Preisregel nicht flächendeckend abgeleitet werden konnte, sie wurde im Einzelfall bestimmt.
Mit der Einsichtlichkeit am Parkett von heute ist gesichert, dass nur noch Stammaktien den entsprechenden Kapitalzuwachs aus den großen Investorentöpfen erreichen. Nur wenige können sich Vorzüge aus Tradition weiter leisten. Mit der zunehmenden Wahrnehmung der Aktionärseigenschaften durch “Engagement” wird mit einer Wiederbelebung der Gattung daher kaum zu rechnen sein. Kapitalbereitstellung impliziert immer mehr Verantwortung. Vorzugsaktien werden daher bald gänzlich in der Mottenkiste der Kapitalmarktinstrumente verschwunden sein.
Im Börsen-Kurier Nr. 12 am 21. März 2024 veröffentlicht von:
Florian Beckermann
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