Im Dunst der Causa Signa fragen sich manche Anleger polemisch: Was tun unsere Aufsichtsbehörden eigentlich? Sie überfrachten den Finanzsektor mit Unmengen an Regularien – Tendenz steigend. Sie sammeln Daten über nahezu alles – gleiche Tendenz. Sie verursachen kaum bezifferbare interne Kosten in Millionenhöhe und werden darüber hinaus auch noch vom Sektor bezahlt.
Doch wenn es kracht (Wirecard, Signa, Commerzialbank Mattersburg usw) gibt es keine Haftung gegenüber dem Anleger? Es stellt sich die Vermutung der Kontrolle ohne Konsequenz. Insbesondere die EZB dirigiert Bankbilanzen bescheidlos mit Gesichtsausdrücken, ohne nachvollziehbare Verantwortlichkeit. Es entsteht der Eindruck einer unschuldigen Verwaltungs-Lämmerherde ohne den nötigen Antrieb – eine Datenkrake.
Jüngst hat der deutsche Bundesgerichtshof die Haftung der BaFin im Wirecard-Case gegenüber einem Privatanleger wiederholt abgelehnt. Das sogenannte Haftungsprivileg gilt für die deutsche Super-Aufsichtsbehörde weiterhin nahezu umfassend. Ähnlich verhält es sich in Österreich: Hier hat die Causa Commerzialbank Mattersburg eine ähnliche Frage aufgeworfen – auch hier ist die Antwort für den Anleger unbefriedigend. FMA, OePR oder OeNB sind fein raus. Abgesehen von grober Fahrlässigkeit und Vorsatz, findet die Freistellung von Haftung seit langer Zeit seinen Platz in verschiedenen Rechtsgebieten. Für Aufsichtsbehören ist in Mitteleuropa eine Haftung traditionell unbekannt – anders als in den USA.
Angesichts der massiven Ausdehnung der Kompetenzen und Kosten, ja angesichts der vielfachen fragwürdigen Kontrollen, stellt sich die Frage, ob diese Freistellung noch zeitgemäß ist. Längst verfügt die Lämmerherde per Gesetz über vernichtende Löwenkräfte. Längst ist die Aufsicht ein Spieler zwischen Aktionär, Management und Wirtschaftsprüfer. Auch wenn die Haftung von Management und Wirtschaftsprüfer nicht immer friktionsfrei erreicht werden kann, so zwingt sie dennoch irgendwann genau hinzuschauen. Dies gelingt der Aufsicht noch nicht nachhaltig: Zu viele Lämmeraugen schauen teilnahmslos-gleichförmig auf Sachverhalte. Was helfen alle Zahlen, wenn die Erhebung leicht manipuliert werden kann und die Prüfung misslingt? Für alle diejenigen die sich täglichen mühen, allen Regeln zu entsprechen, sind solche Fälle ein Schlag ins Gesicht.
Es ist verständlich, den erforderlichen Durchsetzungswillen der Aufsicht mit einer Haftung zu stärken. Mögen sie zu echten Löwen werden. Insbesondere dann, wenn aufgrund diverser Whistleblower-Meldungen, Presseberichten oder gar Hauptversammlungsreden längst Warnungen verfügbar sind.
Es ist auch die Erwartungshaltung des Bankkunden oder Steuerzahlers, dass seine Behörden keine wirtschaftlich-schädlichen Lämmerherden sind, sondern effektiven Schutz gewährleisten. Andernfalls sind sie unnötig. Letztlich muss bei nachvollziehbar steigender Regulatorik an allen Stellen nach Effizienz gesucht werden.
Im Börsen-Kurier Nr. 5 am 31. Jänner 2024 veröffentlicht von:
Florian Beckermann
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