Der österreichische Anleger ist erstaunt: Wie kann die Justiz für solche Kausen so lange brauchen? Erst die Einstellung des Meinl-Verfahrens im Mai dieses Jahres, und nun der Freispruch für die Köpfe der einstigen Immofinanz/-east in einem Schlüsselverfahren. Die Justiz versagt den fairen Prozess und lässt Anleger am Rechtssystem zweifeln.
Rückblick: Branchenprimus Immofinanz wird zusammen mit Immoeast und Constantia Privatbank von Karl Petrikovics erfolgreich geführt. Die Finanzkrise schlägt 2007 zu. Es kommt zu Rettungsversuchen durch Aktienstützungskäufe im Dunstkreis, die durch den aktuellen Prozess beurteilt werden sollen. Die Stützung misslingt. Die Immos müssen wenig später fusionieren, auch die Constantia Privatbank übersteht die Sache nicht. Viele Anleger verlieren, Immofinanz war eine Volksaktie. Nach Spitzenwerten über 80€ kam es zum Kurstiefpunkt bei rund 30 Cent.
17 Jahre nach dem Geschehen werden Petrikovics und CFO Christian Thornton vom Vorwurf der schweren Untreue nun freigesprochen. Das Urteil ist rechtskräftig. Die Verteidigung konnte das Gericht überzeugen, dass die Transaktionen “nachvollziehbar” zugunsten des Angeklagten Petrikovics interpretiert werden können und “dieser davon ausgehen konnte, dass die Aktienkurse steigen” – Anleger würde man für diesen Satz ins Eck stellen.
Wie Beobachter beschreiben, konnten sich die meisten Zeugen im Verfahren nur noch vage erinnern. Das Gericht bemerkte, dass dieser Umstand das Verfahren verkompliziert habe. Selbst Petrikovics Anwalt bezeichnet das Verfahren als “Extrembeispiel, was im Wirtschaftsstrafrecht aktuell falsch läuft”. Allein die Hauptverhandlung hat knapp ein Jahr gedauert.
Weder für die Angeklagten noch für einen Rechtsstaat ist der Modus akzeptabel. Eine peinliche Steuergeldverschwendung und Lebenszeitvergeudung aller Beteiligten. Die Lösung eines Problems aussitzen kann nicht die Maxime des Staates sein. Auch wenn dieses Verfahren keine direkten Auswirkungen auf das Schicksal der Anleger hat, bleibt wieder eine tragische Optik für eine lahme Justitia. Man will sich die Auswirkungen auf künftige Verfahren gar nicht ausmalen. Der Ruf des Marktes wird dadurch sicher nicht verbessert. Petrikovics selbst entging damit einer möglichen zweiten Haftstrafe. Er hatte bereits eine sechsjährige Gefängnisstrafe verbüßt. Damals ging es um Optionsgeschäfte.
Im Börsen-Kurier Nr. 47 am 21. November 2024 veröffentlicht von:
Florian Beckermann
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