Mit der Veröffentlichung des Delisting-Angebots für die Ottakringer Getränke AG durch die Übernahmekommission beginnt die Annahmeperiode (bis zum 27.10.2023, 17 Uhr, https://www.takeover.at/uebernahmeangebote/2023-ottakringer-getraenke-ag/).
Die Verunsicherung bei den vielen kleinen Aktionären ist jedoch groß: Das Angebot wird als völlig intransparent und als zu niedrig wahrgenommen – offenbar wollen viele Kleinaktionäre die Wiener Kultaktie behalten, auch wenn diese nicht mehr an der Börse notiert.
Das Angebot für Stammaktien (EUR 85,00) hat einen Abschlag von über 53 % zum beim Delisting gesetzlich relevanten gewichteten 5-Tages-Durchschnittskurs, Vorzugsaktionäre (EUR 70,00) sollen eine kleine Prämie von ca. 13 % erhalten. Daher eine kurze Zusammenfassung aktueller Aktionärsüberlegungen:
Kritik an der Preisfindung: Entgegen der gesetzlichen Norm hat die Übernahmekommission unter Hinweis auf ihre Rechtsansicht ohne konkrete Begründung die Börsenkurse als übernahmerechtliche Preisuntergrenzen nicht berücksichtigt. Stattdessen hat sie eine geheime (!) Unternehmensbewertung auf Basis der Daten des Delisting-Werbers erstellen lassen. Wie zu erwarten, fällt diese natürlich niedriger aus als das Delisting-Angebot. Diese Vorgehensweise ist nicht nur rechtliche Fiktion, sondern auch dahingehend besonders merkwürdig, weil für den kleinen Streubesitz die Liquidität in der täglichen Auktion im Börsensegment Standard Market immer als ausreichend empfunden wurde. Die Rechtsansicht der Übernahmekommission wird sich daher möglicherweise einer gerichtlichen Überprüfung unterziehen müssen.
Strategische Erwartungen: Die meisten Aktionäre erwarten ein baldiges Gesellschafterausschlussverfahren (Squeeze-out). Ein solcher Zwangsausschluss geht üblicherweise mit einer langwierigen und vor allem detaillierten Bewertungsdiskussion einher. Diese Bewertungsgutachten sind dann quasi öffentlich. Aktionäre erwarten sich dadurch eine bessere Diskussionsgrundlage und sehen daher aktuell keine Notwendigkeit, sich bei schlechter Datenlage billig abspeisen zu lassen.
Steuerliche Drohkulisse: Traditionell verfügt Ottakringer über einen sehr kleinteiligen Streubesitz, d.h. viele Aktionäre (oft eigene Pensionisten, Wirte, Mitarbeiter, usw.) besitzen sehr wenige Aktien. Mit dem Delisting erfolgt eine Umwandlung der Inhaberaktien in Namensaktien, was den KESt-pflichtigen Anlass einer fiktiven Veräußerung darstellt. Eine Rückforderung der KESt, sofern abgeführt, ist weder gesetzlich noch höchstgerichtlich erfasst, sondern stützt sich auf die Ansicht der Finanzverwaltung (nicht öffentlich, aber gängige Praxis). Die KESt im Veranlagungswege zurückzufordern, ist je nach Komplexität daher mit einigem Aufwand verbunden. Aktionäre, die keine aktive Steuerveranlagung durchführen, sondern die antraglose Arbeitnehmerveranlagung nutzen, fallen überhaupt um die KESt-Rückforderung um. Dokumentationspflichten gehen auf den Anleger über. Dies erzeugt insbesondere für Kleinstanleger eine ärgerliche, administrative Drohkulisse.
Fazit: Beide Aktiengattungen notieren aktuell über dem Delisting-Angebot. Offenbar positionieren sich einzelne Aktionäre für die Zeit nach dem Delisting. Ein Gutachten der Beratungsgesellschaft PwC im Auftrag der Ottakringer Getränke AG hatte im Jahr 2018 einen Unternehmenswert ohne stille Reserven von über EUR 136,22 je Aktie festgestellt. Der damalige Rückkaufpreis für eigene Aktien lag bei EUR 100,00. Das vorliegende Delisting-Angebot wirkt intransparent und unfair. Es sollte für eine breite Zustimmung signifikant aufgebessert werden – auch um langwierige rechtliche Diskussionen zu vermeiden.
Florian Beckermann
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