Bilanz Schwarz-Grün: Kaum Zählbares für den heimischen Kapitalmarkt

Die Bundesregierung steht vor dem Grande-Finale: Knapp sechs Monate vor dem ersten möglichen sinnvollen Wahltermin zum Frühjahr 2024 ist es Zeit, eine Zwischenbilanz aus der Sicht des heimischen Kapitalmarktes zu ziehen. Wenig Zählbares bleibt unter dem Strich. So muss das Urteil bisher schlecht ausfallen, ein negatives Abrutschen.

Nützliche Fortschritte lägen bei Magnus Brunner im BMF. Größte Fehlanzeige bisher: Die KESt-befreiende Behaltefrist. Sie bleibt wohl noch länger ein Papiertiger im Koalitionsprogramm. Um das gleiche Schicksal zu erleiden, wie Abschaffung der Kalten Progression? Die sich gefühlte 30 Jahre redundant in Regierungsprogrammen fand, jedoch nie umgesetzt wurde. Die Angst (vor wem auch immer?) etwas zugunsten aller Sparer zu tun, scheint größer. Angst vor einem rund 300-Mio€-Loch im Steuerbudget kann es nicht sein – es sind “Peanuts” in Relation zu anderen Ausgaben. Es wäre ein so wichtiges Signal für den privaten Sektor.

Rückschritt: Die nachträgliche Abschöpfung von Übergewinnen bei Energieunternehmen bleibt ein Sündenfall in der Marktwirtschaft, den man nicht so schnell vergessen wird. Da kann Brüssel noch so viel herbeieilen und Legitimation für Bundeskanzler Karl Nehammers Initiative liefern. Der fast kommunistisch wirkende Poplulismus macht Planwirtschaft interessant. Mit dem Effekt, dass Vermögenssteuern oder Erbschaftssteuern wieder relativ ernst diskutiert werden. Leistungsträger fragen sich längst: Wo bin ich?

Diese Frage stellt sich auch die Inflation, deren Austro-Eigenheiten zu einer längeren, hohen Verweildauer beitragen. Die wüsten Helikoptergeld-Zuckungen der Bundesregierung haben daran teil. Doch weiterhin favorisiert Nationalbank-Gouverneur Robert Holzmann EZB-Zinserhöhungen, wenn opportun. EZB-Leitzinsen, die zu spät, zu schnell, zu hoch und intransparent gewachsen sind und jetzt Kreditnehmer zu höheren Einnahmen zwingen. Willkommen in der “alten” Spirale der Inflation, der Österreich wenig entgegensetzen kann.

Die Beteiligung der Grünen an der Regierung – übrigens keine durchweg kapitalmarktfeindliche Wählergruppe – ließ zumindest die Hoffnung aufkeimen, dass kapitalmarktinteressante Bedinungen für die grüne Transformation geschaffen werden. Doch auch hier heißt es Fehlanzeige. Vielmehr schaffte es die grüne Justizministerin Alma Zadic gar, das zarte Pflänzchen “Transparenz” durch die Einführung der virtuellen Hauptversammlung für börsennotierte AGs – außerhalb des Koalitionsprogramms – zu gefährden.

Gegen diese Fehlentwicklungen gibt es auch einen Lichtblick: die ÖBAG. Die Staatsholding hat kräftige Dividendenausschüttungen unterstützt. Ein Vorteil für jeden Investor. Edith Hlawati und ihr Team agieren professionell und geschickt. Sei es in Sachen A1 Telekom und des EuroTeleSites-Börsengangs, sei es bei der OMV – bisher.

Fazit: Um es ein “Grande” Finale werden zu lassen, bedarf es einiges an Aufwand bei beiden Regierungsparteien. Ob es den Willen dazu gibt, mag bezweifelt werden. Einstweilen wird der Umgangston schärfer und die Fouls fieser. Die so wichtige “Einigkeit” oder “Finisher-Qualitäten” waren bisher nicht als koalitionäre Kernkompetenz erkennbar.

Der Kapitalmarkt, und damit auch der heimische Anleger, muss daher seine eigene Kernkompetenz pflegen: Die Hoffnung.

Im Börsen-Kurier Nr. 38 am 20. September veröffentlicht von:

Florian Beckermann

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