Credit Suisse: Überfälliges Drama

Ein Fall von “too-big-to-fail”: Credit Suisse, eine global-systemrelevante Bank, eine Schweizer Institution, findet ihr dramatisches Ende in der Zwangsfusion mit UBS. Nicht jeder trauert. Ein überfälliges Ende und Warnung an Führungsetagen weltweit.

Eisenbahner, Banker, Politiker: Alfred Escher, einer der großen Visionäre der Schweiz, gründet die Schweizerische Kreditanstalt 1856, später Credit Suisse. Die Gotthardbahn ist mit seinem Namen verbunden. Sein Leben, eine Parabel. Geprägt von Liberalität, Unternehmertum, Arbeitswut und Schicksalsschlägen. Er finanziert die Bahnerschließung in der Schweiz. Bis heute eine Schweizer Erfolgsgeschichte.

Noch vor dem ersten Weltkrieg entwickelt sich aus der Spezialbank die erste Großbank der Schweiz, mit Filialen in New York und Paris. Zürich ist das Machtzentrum, der Kunde das Zentrum des Interesses. Man durchtaucht Krisen und Kriege meisterhaft und skrupellos – die Profite aus dem Holocaust werden erst Jahre später kritisch betrachtet.

Sukzessive nimmt das weltweite Wachstum der Bank Fahrt auf. 1988 ensteht in den USA die CS First Boston. Man spezialisiert sich auf Finanzdienstleistungen im Investmentbanking, Private Banking und Asset Management insbesondere Immobilien. Das Aushängeschild erfolgreicher Schweizer Banker auf dem Weltparkett ist geschaffen. Der vermeintliche Höhepunkt. Man fusioniert mit dem Versicherungskonzern Winterthur um ihn alsbald wieder zu verkaufen. Die Beteiligung an der Beratungsgesellschaft KPMG wird versilbert. Mit den 2000er Jahren beginnen Probleme, die bis heute negativ wirken. Noch überdeckt der Erfolg das interne Kulturgift, die Selbstbedienungsmentalität, das Söldnertum. Die Finanzkrise wird ohne Staatshilfe überstanden. Es scheint, als hätte die Credit Suisse bereits damals den ehtischen Kompass verloren – und ihn nie wieder erlangt, ein warnendes Beispiel für Manager unserer Zeit.

Seitdem vergeht kaum eine Finanz-Posse ohne Credit Suisse: Die deutsche Steuer-CD, Geheimkredite in Afrika, Suisse Secrets, der Libor-Skandal, Panama Papers, Greensill und zuletzt Archegos Capital sind nur eine Auswahl. Insgesamt schätzt man 15 Mrd USD Schadens- oder Vergleichszahlungen. Wohl die höchste Summe weltweit. In der Klima-Diskussion stand die Bank unter immensem Druck, mit wenig eigenem Erkenntnisgewinn.

Schillernde, wie skrupellose Kunden rundeten das Bild ab, kaum ein Schlitzohr ohne Konto dort. Die fatalen Eigeninteressen des verantwortlichen Managements treten immer mehr nach außen. Der Bespitzelungsskandal des früheren CEO Tidjane Thiam war wohl nur die Spitze des Eisbergs. Warnende Stimmen verhallten ungehört in der “sauberen” Schweiz.

Zunehmend skeptisch kehren Aktionäre dem Institut den Rücken. Wo vor 15 Jahren noch 30 € je Aktie zu bezahlen waren, wurde man das Papier nun für 75 Cent nicht mehr los. Als nun noch einer der arabischen Großaktionäre die Finanzierung aufgrund des Vertrauensverlusts einstellte, war weltweit die Show vorbei.

Die Verantwortung liegt beim Management. Schon erklingt der Ruf nach mehr Regulierung – verständlich, aber wenig zielführend. Der Haircut folgt. Am CoCo-Bond-Markt (Anm. Bedingte Pflichtwandelanleihe) kracht es. Es wird nicht die einzige Auswirkung sein. Für die Schweizer sicher ein größeres Drama als die damalige Hypo-Alpe-Adria für Österreich.

Escher wurde damals entmachtet, seine Frau und eine Tochter Hedwig starben früh. Anerkennung bleibt ihm verwehrt, er stirbt 1882. Sein Denkmal ziert heute den Züricher Bahnhofsplatz. Seine Familie erlosch nach dem Shakespearehaften Liebesdrama seiner ältesten Tochter Lydia Welti-Escher und deren Freitod. Doch das ist eine andere (Kultur-)Geschichte.

Veröffentlicht im Börsen Kurier am 22. März 2023 von:

Florian Beckermann

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